Abstract:
Karin Hügel, "Queere Lesarten des Hohelieds".
Das Hohelied kann aus gegenwärtiger Sicht vor allem aufgrund seiner positiven, reizvollen Darstellung außerehelichen sexuellen Begehrens, nicht nur des Manns, sondern besonders der Frau, als queerer biblischer Gegentext gegenüber heutigen konservativen Ehevorstellungen angesehen werden, die mit Hilfe bestimmter Interpretationen der Schöpfungsberichte immer noch einzementiert werden. Queer wird hier allgemein als "gegen die vorherrschende Norm" verstanden. Während im zweiten Schöpfungsbericht in der Genesis die Frau dem Mann untergeordnet ist, zeugt das Hohelied von gegenseitigem Begehren und von einer grundsätzlichen Begeisterung für den menschlichen Eros. Das Hohelied, in dem von der Attraktivität und der Schönheit der Liebenden die Rede ist, kann als queerer Gegentext zu Gen 3,16-19 aus dem zweiten Schöpfungsbericht interpretiert werden, wo die Strapazen des Gebärens und der landwirtschaftlichen Arbeit ätiologisch als Folge des Verzehrs der klug machenden Frucht des Baums durch Adam und seine Frau beschrieben werden. Im Gegensatz zur meist androzentrischen Sichtweise anderer Texte der Hebräischen Bibel wird im Hohelied weibliches Begehren aus der Sicht der Frau formuliert und zwar öfter, als der Mann seine sexuellen Leidenschaften nach der Frau besingt. Paradoxerweise wird weibliche Erotik im Hohelied gefeiert, aber auch kontrolliert, wobei Letzteres nie gänzlich gelingt. Die prägnante Selbstbehauptung der Frau in Hld 1,5: "Schwarz bin ich, aber schön", wurde ein locus classicus der af roamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Black is beautiful ist ihr Slogan. Dieser Text des Hohelieds ermöglicht eine queere, antirassistische Auslegung. Im Hohelied begegnen wir einer anderen Sprache der Erotik. Queer Lesende mag das Hohelied wegen seiner Weltlichkeit besonders ansprechen. Diese nicht religiöse Liedersammlung kann mit ihren sexuellen Anspielungen und metaphorischen, häufig mehrdeutigen Beschreibungen sexueller Handlungen in der ansonsten religiösen Textsammlung der Bibel als queer betrachtet werden.
Karin Hügel, "Queere Lesarten des Hohelieds", in: Uta Blohm/Marta Bodo/Sigríður Guðmarsdóttir/Stefanie Knauss/Ruth Papacek (Hg.), In-between Spaces: Creative Possibilities for Theologies of Gender/Entre espacios: propuestas creativas para las teologías de género/Zwischenräume: Kreative Möglichkeiten für Gender-Theologien, Journal of the European Society of Women in Theological Research/Anuario de la asociación europea de mujeres para la investigación teológica/Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen, Band 21, Peeters, Leuven 2013, 169-185.
ESWTR-Jahrbuch 21/2013
203 Seiten,
ISBN: 978-90-429-3052-0,
ISSN: 1783-2454,
eISSN: 1783-2446.
OLP: EUR 45,00.
Abstract und Download, Online-Zeitschriften Peeters
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Ich habe meine queeren Lesarten des Hohelieds im Zuge von "CoVen don't preach: Lezzing my religion" am 11. Juni 2016 im Autonomen Zentrum Köln und auf der Jährlichen Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Bibelwissenschaften (European Association of Biblical Studies) am 3. August 2021 an der Universität Wuppertal in Deutschland vorgetragen.
Abstract: Queere Auslegungen der Liebesgebote aus Levitikus
Abstract: Jüdische gesetzliche Auslegungen zu weiblicher Homoerotik
Abstract: Lesungen für Segnungsfeiern gleichgeschlechtlicher Paare, queer ausgelegt
Abstract: Queere Auslegungen der Liebesgebote aus dem biblischen Buch Levitikus
Abstract: Jüdische gesetzliche Auslegungen zu weiblicher Homoerotik
Abstract: König Davids Entblößung beim Tanz. Eine queere Lesart von 2 Samuel 6
Abstract: Queere Aneignungen von David und Goliat. Künstlerische Selbstporträts als besiegte Knabenliebhaber
Abstract: Eine queere Lesart von Kohelet 4,9-12
Abstract: Eine queere Lektüre von Josef: Jüdische Interpretationen des schönen jungen Manns aus der Hebräischen Bibel
Abstract: Queere Lesarten der Hebräischen Bibel. Das Buch Ruth und die Schöpfungsberichte
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