Abstract:
(1) In den biblischen Kontexten von 1 Sam 18,1-4 und Ruth 1,14-17 kommen keine reinen Paarbeziehungen, sondern nur Mehrfachbeziehungen vor. Das verweist auf ein Verständnis von Ehe und Hochzeit, welches sich von unserem heutigen unterscheidet. (2) In der ersten Begegnung zwischen David und Jonathan in 1 Sam 18,1-4, der Lesung für ein Männerpaar, sagt Jonathan David (ein Name, der nichts anderes als "der Geliebte" bedeutet) seine Lebensgemeinschaft zu. Gleichzeitig mit Jonathans wiederholter Liebesbekundung an David nimmt König Saul diesen schönen, im Kampf erfolgreichen Jüngling zu sich und lässt ihn nicht wieder ins Haus seines Vaters zurückkehren. David könnte deshalb mit einer neu verheirateten Braut verglichen werden, die in den Haushalt ihres Ehemanns einzieht. (3) Sprechende Namen unterstützen eine queere Interpretation der Lesung Ruth 1,14-17 für ein Frauenpaar: Aus damaliger wie heutiger Sicht kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beziehung Ruths, "der Freund_in", zu Noomi, der "Lustvollen", als erotisch motiviert verstanden wird: Ruth hängt sich in Ruth 1,14 fest an ihre Schwiegermutter an und schwört Noomi in Ruth 1,16-17 lebenslange Treue. Ähnliche Formulierungen im Buch Ruth und im zweiten Schöpfungsbericht legen aus queerer Sicht ein eheähnliches Verhältnis zwischen Ruth und Noomi nahe.
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Ich habe "Lesungen für Segnungsfeiern gleichgeschlechtlicher Paare, queer ausgelegt. Jonathans Zusage der Lebensgemeinschaft an David (1 Sam 18,1-4) und Ruths Treueschwur gegenüber Noomi (Ruth 1,14-17)" bei der ersten gemeinsamen Tagung der Gesellschaften für Geschlechterstudien aus Deutschland, der Schweiz und Österreich "Aktuelle Herausforderungen der Geschlechterfoschung" am 29. September 2017 in Köln vorgetragen.
Abbildungen 1 und 2: Liebesschwur zwischen David und Jonathan (1 Sam 20,17)
Simeon Solomon, David und Jonathan, 1854-1855, The Jewish Museum, London.
Simeon Solomon, David und Jonathan, 1854-1855, The Jewish Museum, London.
Abbildung 3: Abschiedsszene zwischen Noomi und ihren Schwiegertöchtern Ruth und Orpa bzw. Ruths Treueschwur gegenüber Noomi (Ruth 1,14-17)
Philip Hermogenes Calderon, Ruth und Noomi, 1886, Walker Art Gallery, Liverpool.
Abstract: Queere Auslegungen der Liebesgebote aus Levitikus
Abstract: Jüdische gesetzliche Auslegungen zu weiblicher Homoerotik
Abstract: König Davids Entblößung beim Tanz. Eine queere Lesart von 2 Samuel 6
Abstract: Eine queere Lesart von Kohelet 4,9-12
Abstract: Queere Lesarten des Hohelieds
Abstract: Queere Lesarten der Hebräischen Bibel. Das Buch Ruth und die Schöpfungsberichte